Haushaltsrede 2019 von Rainer Hübinger, Vorsitzender der SPD Fraktion
Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,
zunächst einmal möchte ich Sie beruhigen: Ich werde mich möglichst kurz fassen und nicht die mir zustehenden 29 Minuten unserer wertvollen Zeit voll ausreizen.
Letztens brauchte ich ein paar Informationen und habe „Monheim“ gegoogelt. Das, was mir dann bei den Suchergebnissen als erstes angezeigt wurde, hat mich ziemlich stutzig gemacht. Es wurde mir eine bezahlte Anzeige mit folgendem Wortlaut angezeigt:
Monheimer Hebesatz: 250, jetzt Firmensitz verlegen. Einfach und schnell. ab 249,- €/Monat. Keine Kaution. Keine Maklergebühren. Dienstleistungen: Konferenzraum, Beamer, Whiteboards, Internet,Drucker,Monitore.
So ist das Unternehmen Oxea Chemie von Marl nach Monheim gezogen, die Chemieprodukte werden immer noch in Marl erzeugt, die Gewerbesteuer aber nun geteilt, zu Lasten der Stadt Marl.
Monheim – knapp halb so groß wie Velbert – wird im nächsten Jahr über 300 Mio. Gewerbesteuer einnehmen, Velbert kalkuliert mit 49,2 Mio. €. Unglaublich, was so alles möglich ist. Man könnte meinen, die Cayman Inseln liegen kaum 40 Kilometer entfernt. Firmen verschieben die Gewinne nach Monheim, indem sie dort eine Tochtergesellschaft gründen. Hier wollte die alte rotgrüne Landesregierung tätig werden, von der neuen Landesregierung hört man in dieser Sache nichts.
Ich möchte auch an die Cum und Ex Geschäfte der reichen Eliten Europas zu Lasten der ehrlichen Steuerzahler erinnern. Mit Dividendenstripping sind Milliardenbeträge – man spricht von 55 Milliarden- von den Staaten Europas geraubt worden. Man hört in dieser Sache von der Groko wenig, der SPD Finanzminister verspricht mehr, Ergebnisse fehlen aber. Mittlerweile gibt es sogar Cum – Ex völlig ohne Aktien.
Finanztransaktionssteuer, eine gerechte Besteuerung von Firmen der Internetbranche und die Besteuerung von Gewinnen der Großkonzerne am Ort des Entstehens, all das scheint die Große Koalition nicht in Angriff zu nehmen.
All das geht auch zu Lasten der Kommunen. Der Frust bei uns Kommunalen ist daher groß. Wir wollen keine einmaligen oder kurzfristigen Finanzspritzen für bestimmte Probleme aus Düsseldorf oder Berlin, wir wollen eine dauerhafte, gerechte und stetige Finanzierung aus Steuermitteln, eine echte Umverteilung von oben nach unten. Wir, die Kommunen, sind die Basis des Staates und das müssen die Ebenen über uns endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
In der vergangenen Woche erreichte uns die Nachricht, dass das Land im kommenden Jahr endlich die Bundeshilfe für Flüchtlingsarbeit komplett an die Kommunen durchreicht. Dies war ja ein zentrales Wahlversprechen der Landesregierung von CDU und FDP. 2018 hat dies noch nicht so funktioniert. Nun endlich für 2019. Das sind sehr gute Nachrichten für Velbert.
Ich weiß, die rotgrüne Landesregierung hatte die 433 Millionen Euro komplett im Landeshaushalt einbehalten. Sicher auch ein Grund dafür, dass die Landtagswahl für Rot und Grün verloren ging. Keine gute Nachricht ist, dass der Landtag die Stichwahl bei Bürgermeisterwahlen abschaffen will. Das ist sicher keine demokratisch einwandfreie Aktion. Hier fehlt für den Gewählten viel an demokratischer Legitimation. Da sich aber bei Stichwahlen oft SPD Kandidaten durchgesetzt haben, ist die Intention klar.
Nun möchte ich zum Haushalt kommen. Erstmal mit einem kurzen Rückblick.
Die SPD hat dem Haushalt 2018 zugestimmt. Was ist seitdem passiert?
- Die Voraussetzungen für die Sanierung des Forums sind geschaffen worden.
- Die Schaffung von Schulraum und Kitaplätzen hatte und hat Priorität. Diverse Kindergärten werden erweitert, neue werden gebaut und die neue Grundschule Kastanienallee wurde planungsrechtlich verankert und kann nächstes Jahr gebaut werden.
- Die Digitalisierung unserer Schulen ist mit dem beschlossenen Medienentwicklungsplan in eine ganz neue Phase eingetreten.
- Privater und öffentlicher Wohnungsbau sind vorangetrieben worden, sowohl durch Ausweisung neuer Flächen als auch durch Bebauung von Baulücken.
- Auch ist der Bereich ÖPNV gestärkt worden. In den Nächten vor Samstagen Sonntagen und Feiertagen fährt die Linie 649 bis 2 Uhr nachts. Wir werden eine Anbindung des Wohngebietes Pöthen in Neviges prüfen lassen.
- Auch sind die Bezirksverwaltungsstellen in Neviges und Langenberg nicht mehr nur einmal in der Woche offen, sondern stehen zweimal in der Woche für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung.
- Auch gibt es jetzt eine Fördermittelmanagerin bei der Stadt Velbert. Diese Querschnittsaufgabe ist heute in einer großen Verwaltung unerlässlich.
- Die Elternbefragung für eine zweite städtische Gesamtschule hat eine große Zustimmung zu dieser neuen Schule in Neviges ergeben. Das ist ein wichtiger Teilerfolg. Hier gilt es nun, auch die erforderlichen 100 Anmeldungen zu erhalten. Hierzu gibt es 2 Informationsveranstaltungen und ich denke, die entsprechenden Fraktionen werden sich auch noch für eine entsprechende eigene Werbung starkmachen.
- Die Satzung für die Erhebung der Elternbeiträge wurde überarbeitet. Wir hatten uns zwar weiter gehende Entlastungen gewünscht und diese auch gefordert. Wir sind aber froh, dass wir letztendlich wenigstens einen Kompromiss erreichen konnten und Familien erst ab einem Jahreseinkommen von über 25000 Euro Elternbeiträge bezahlen müssen. Familien mit einem geringeren Einkommen sind nun grundsätzlich von den Beiträgen befreit.
- Aus dem Schülerparlament ist ein Jugendparlament geworden. Dies stellt die Beteiligung unseres Nachwuchses auf eine breitere Basis. Ich danke allen Fraktionen, die sich dafür entscheiden konnten, für ihre Mithilfe. Auch werden dem Jugendparlament eigene Mittel zur Verfügung gestellt, dafür bedanke ich mich beim Bürgermeister.
- Die Erinnerungsveranstaltungen an die Novemberpogrome 1938 sind in diesem Jahr in ein professionelles Konzept gefassten worden. Diesen Wunsch hatte die SPD im vergangenen Jahr in einem Brief an den Bürgermeister geäußert. Die Mitglieder meiner Fraktion haben in der Woche der Erinnerung an mehreren Veranstaltungen teilgenommen und waren sehr berührt vom Engagement der Beteiligten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
nun zu den Dingen, die 2018 von der SPD Fraktion zwar angesprochen worden sind, aber einer Verwirklichung noch harren:
- Die Hauptsatzung ist noch nicht überarbeitet worden. Die Kompetenzen der Bezirksausschüsse sind noch nicht ausgeweitet worden. „Mehr Demokratie wagen“, hat Willy Brandt mal in einer Regierungserklärung formuliert, ich glaube, das ist heute so aktuell wie damals. Dieses Ansinnen steht im absoluten Gegensatz zum Papier „Mehr Velbert wagen“ des ehemaligen Bürgermeisters Stefan Freitag. In diesem Papier sollte durchregiert werden von oben nach unten. Es gilt in einer neuen überarbeiteten Hauptsatzung dieses Prinzip genau umzukehren. Die SPD ist dazu bereit.
- Den Startup Park für junge Existenzgründer gibt es bisher nicht. Aber man ist auf der Suche nach einem geeigneten Standort. Startups schaffen und erneuern die wirtschaftliche Infrastruktur, generieren Zuzug und die Ansiedlung weiterer Unternehmen. Das wäre auch etwas für Velbert.
- Die Städtepartnerschaften sind immer noch nicht auf breitere Füße gestellt worden. Ein Bekenntnis zu Europa ist in diesen schwierigen Zeiten sehr wichtig. Im Mai 2019 steht übrigens auch die Europawahl an. Ich würde mir wünschen, der Velberter Rat hätte die Kraft für ein europäisches Signal.
- Das Ehrenmal für die Toten der Weltkriege an der Poststraße ist immer noch in einem jämmerlichen Zustand. Davon konnte sich jeder Besucher am Volkstrauertag überzeugen. Trotz aller Versprechungen seitens der TBV ist hier wieder ein Jahr ohne Ergebnis vergangen. Hier bedauere ich sehr, dass der Rat keinerlei direkte Anweisungen an den Vorstand der TBV geben kann. Das wirft ein Schlaglicht auf das Thema Steuerungsfähigkeit des Rates – der vom Bürger legitimierten Vertretung – auf die Beteiligungen der Stadt. Starke kommunale Unternehmen brauchen auch eine starke Steuerung.
- Jetzt mal was ganz Profanes, aber dennoch ist es ein Ärgernis. Die öffentliche Toilette am Bahnhof Langenberg ist noch nicht verwirklicht worden, hier muss 2019 endlich ein greifbares Ergebnis erreicht werden. Ich bitte die VGV, die TBV und die Verwaltung kurzfristig ein Konzept zu präsentieren.
Diese unerledigten Dinge wird die SPD Fraktion im kommenden Jahr ganz besonders in den Fokus nehmen. Nun zum Haushaltsplan- und Stellenplanentwurf 2019, übrigens der Vorletzte unserer derzeitigen Wahlperiode. Wir unterstützen die im Haushaltsentwurf angelegten Weichenstellungen für das Jahr 2019.
Im Folgenden möchte ich aber noch ein paar Entwicklungen darstellen, die im Jahr 2019 für die SPD besonders wichtig sind:
- Wir wollen weitere Entlastungen und Verbesserungen für Familien. Die oben angesprochene Neufassung der Kitagebühren muss auch auf den Bereich der OGATA Gebühren ausgeweitet werden. Momentan liegt die Versorgungsquote bei den Plätzen unter drei Jahren (U3) bei etwas über 40 %, für über Dreijährige bei 97%. Besonders in Velbert – Mitte, wo momentan die Versorgung am schlechtesten ist, muss dringend nachgesteuert werden. Die SPD wird sich daher weiterhin für mehr Kindergartenplätze einsetzen.
Die Veränderungen im sozialen Bereich werden wir im Auge behalten. Damit sich wirklich die versprochenen Verbesserungen einstellen – und zwar nicht nur für die Stadtkasse, sondern vor allem auch für die Menschen.
- Die Fraktionen von SPD und CDU haben den Antrag eingebracht, dass es wieder Mittel für einen Ring politischer Jugend (RPJ) geben wird. Hierbei wird der RPJ nicht Geldverteilstelle für die einzelnen politischen Jugendorganisationen sein, sondern aus den Mitteln sollen gemeinsame Veranstaltungen oder politische Weiterbildung finanziert werden.
- In Velbert – Mitte wird der Umbau des Forums 2019 beginnen. Auch muss die Bebauung des ehemaligen Hertie – Areals ein städtebaulicher Highlight werden. Eine 08/15 Lösung: unten Ladenlokal/ oben Wohnungen wird der Bedeutung des Geländes nicht gerecht und wird auch nicht auf die Zustimmung der SPD stoßen. Velbert braucht immer noch ein Kino.
- Eine weitere Bereitstellung von Bauland zur Entwicklung einer Bebauung mit Einfamilienhäusern und/ oder Doppelhäusern wird von der SPD genau geprüft werden. Unserer Meinung nach ist man an der Bedarfsdeckung wahrscheinlich schon längst angekommen. Eine Bebauung über die Grenzen des Flächennutzungsplans hinaus, kann sich meine Fraktion nicht vorstellen. Stattdessen soll der Mehrgeschosswohnungsbau stärker mit attraktiven und bezahlbaren Wohnungen für alle Einkommensgruppen ein Schwerpunkt des planerischen Handelns werden.
- Das integrierte Handlungskonzept für Neviges muss 2019 beschlossen werden. Nur so kommen wir in die Landesförderung. Auch müssen wir uns im nächsten Jahr über ein Konzept für das Schloss Hardenberg einigen. Wir dürfen das Geld vom Bund, dass der ehemalige Landtagsabgeordnete Volker Münchow besorgt hat, nicht liegenlassen.
Wir können aber nicht nur planen und Ideen entwickeln. In Neviges muss dringend was passieren. Daher haben CDU und SPD einen Antrag eingebracht, dass schon im nächsten Jahr die TBV und die Stadt 450000 Euro in Sofortmaßnahmen zur Aufwertung der Nevigeser Innenstadt investieren. Hier darf ich mich besonders beim Vorstand der TBV Sven Lindemann für die Unterstützung bedanken. Ohne die TBV lässt sich keine Innenstadtentwicklung in Neviges betreiben.
Auch soll die Realisierung einer Park und Ride Anlage in Neviges – Mitte weiter und vor allem ergebnisoffen geprüft werden. Neviges -Mitte wird ab 2019 ein wichtiger Haltepunkt für die neue RE 49 sein. Ohne einen Parkplatz für Bahnpendler nur bedingt sinnvoll. Hier bleiben wir am Ball.
Auch muss das Bodendenkmal „Alte Burg“ besser gestaltet werden. Der Pilgerparkplatz kann auch nicht so bleiben wie er ist. Er muss kostenfrei gestellt werden und seine Oberfläche muss endlich befestigt werden. Über die Neugestaltung des Busbahnhofes und den Bereich „Auf der Beek“ muss im nächsten Jahr diskutiert werden. „Neviges am Wasser“ bleibt für die SPD ein wichtiger Baustein der Innenstadtsanierung. Wir müssen einen fertigen Plan haben, wenn wir in der Landesförderung angekommen sind.
- In Langenberg muss es im Bereich Sambeck endlich zu tragfähigen Lösungen kommen. Im Eingangsbereich dieses schönen Ortes findet man eine klaffende Wunde. Der Radweg von Essen hat Langenberg an die Baldeneysee angebunden. 2019 müssen wir zumindest planerisch eine Verbindung zum Panorama Radweg schaffen. Der Weg durch das Birkental, so wie von Volker Münchow vorgeschlagen, könnte eine mögliche Wegeführung sein.
- Im Stellenplan ist nun endlich ein hauptamtlicher Inklusionsbeauftragter, dort „Behindertenbeauftrager“ genannt, vorgesehen. Ein wichtiger Schritt, um das Thema Inklusion in Velbert voranzubringen und der UN – Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden. Die Zuordnung des Beauftragten ist jedoch sehr vage. Für uns muss ein Inklusionsbeauftragter zentral angesiedelt werden. Denn Inklusion ist ein Querschnittsthema.
Der Entwurf des Stellenplans sah eine Einsparung von 4,5 Stellen für Reinigungskräfte vor. Dafür sollte ein privater Reinigungsdienst beauftragt werden. Diese Privatisierung lehnt die SPD Fraktion vehement ab. Aus tarifvertraglichen Arbeitsverhältnissen sollen hier prekäre Arbeitsverhältnisse bei Dienstleistern entstehen. Dort wird noch nicht einmal Weihnachtsgeld bezahlt. Deshalb hat es kürzlich erst einen Streik gegeben. Im neuen Stellenplan hat sich nun die SPD durchgesetzt. Die Stellen bleiben drin.
Bevor ich jetzt zum Schluss meiner Rede komme, möchte ich noch eine wichtige Sache betonen:
Die SPD steht zur Gewerbeansiedlung „Große Feld“ an der Langenberger Straße. Wir brauchen in Velbert Gewerbeflächen, um Arbeitsplätze in Velbert zu halten oder um neue zu schaffen. Unsere Topografie ist nun mal so, dass wir nur wenige ebene Flächen in Velbert haben. Wir haben Nachfrage nach Flächen. Da kommt es für Anwohner natürlich zu Beeinträchtigungen, leider haben sich die Anwohner dazu entschlossen, diese Planung völlig abzulehnen. Ich hätte mir da mehr Kompromissbereitschaft gewünscht.
Sehr geehrter Herr Lukrafka, sehr geehrter Herr Böll, sehr geehrter Herr Ostermann, sehr geehrter Herr Peitz, wir danken Ihnen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Bitte geben Sie den Dank der SPD Fraktion auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung weiter.
Die SPD stimmt dem Haushaltsentwurf 2019 mit den genannten Änderungen zu.