Die SPD hatte zu einem Debattencamp eingeladen, um neue Ideen und Ziele mit den Mitgliedern zu entwickeln. Auch Velberter waren dabei und haben intensive Tage in Berlin verbracht.
Ein Bericht von Wilhelm Meincke, der vor Ort war.
Am 10. und 11. November hatte die SPD nach Berlin zu einem sogenannten „Debattencamp“ eingeladen. In über 60 Foren wurden aktuelle Themen zur Diskussion gestellt. In einer für die SPD schwierigen Zeit schwankte die Erwartungshaltung zwischen interessierter Neugierde bis hin zur Ablehnung z. B. mit den Worten: ‚diese Show der Parteiführung, ohne dass sich etwas bewegen wird, mache ich nicht mit!‘ Niemand hatte wohl vorher diese gewaltige Energie und engagierte Teilnahme erwartet!
Die Einladung der Sozialisten Alexis Tsipras (Griechenland) und Antonio Costa (Portugal) als internationale Gäste deuteten schon auf eine Bewegung nach Links hin. Andreas Nahles hatte in ihrer Einführungsrede diese Deutung noch verstärkt, wenn auch Formulierungen „wie Hartz IV hinter uns lassen“ noch als zu schwammig empfunden wurde. Tatsächlich hinterließen die 3.400 Teilnehmer den Eindruck, die Partei will linker, ökologischer, offener, vielfältiger und mutiger werden. Die meisten Besucher waren eindeutig jünger als der Altersdurchschnitt der Partei. Die Foren waren geprägt von den engagierten Beiträgen der Mitglieder, die meistens die Reise, die Unterkunft und die Verpflegung selbst finanziert hatten.
Bei den Teilnehmern, die mit viel Leidenschaft diskutierten, war der Wille zur Veränderung offenkundig. Themen rund um ‚Erneuerung der SPD‘, ‚eine gerechtere Gesellschaft‘ oder ‚eine bessere Welt‘ prägten die Debatten. Die Diskussionen zeigten aber auch, dass die Ideen und Meinungen teilweise noch sehr weit auseinander liegen. Der Weg zu einem umsetzbaren Konsens wird bei manchen Themen noch lang und schwierig werden.
Der Austausch von Ideen und Erfahrungen zur Verbesserungen in den Orts-/Kreisverbänden war am konkretesten. Manche Beispiele für Fortschritte oder gar Neuanfänge sind allerdings nicht überall und schon gar nicht schablonenhaft anwendbar. Die Bedingungen sind zu unterschiedlich. Aber der gemeinsame Wille, etwas zu verändern auf der Basis von Transparenz, Mitsprache und Mitwirkung, Stärkung der Mitglieder, Willensbildung von unten nach oben, Loyalität gegenüber der Partei (nicht gegenüber Personen oder Proporz), neue Strukturen, Aktionen und Inhalte, Stolz auf die eigene Arbeit, führte zu einem lange nicht mehr erlebten Gemeinschaftsgefühl.
Von den vielen Foren werden mir einige besonders in Erinnerung bleiben; individuell verschieden, da eine Auswahl der parallel stattfindenden Foren getroffen werden musste: Der Runde Tisch ‚Kein Kind muss arm sein‘ mit Franziska Giffey, die es versteht, in ihrer ruhigen sympathischen Art eindrucksvoll und glaubwürdig auf die Menschen zuzugehen; Deutschlands Rolle in der Welt‘ mit Olaf Scholz, der nach der Session noch lange in einer Traube von Diskutanten zu weiteren Diskussionen mit viel Widerspruch gezwungen wurde; eine der lebhaftesten Diskussionen mit sehr vielen Wortmeldungen zum Thema „Grundeinkommen“ mit Lars Klingbeil, wobei die Meinungen und Argumente sehr weit auseinander lagen. Die kreativste Debatte war ‚Wie retten wir die Demokratie?‘ mit Kevin Kühnert und einer Journalistin (nach eigener Aussage links von der SPD). Nicht Kevin wurde interviewt, sondern umgekehrt, Kevin nahm die Rolle des Interviewers ein. Diese Session wurde mit viel Technik unterstützt und so konnten z.B. die Teilnehmer online die Schwerpunkte voten. Die Ergebnisse wurden direkt auf den Bildschirmen im Saal angezeigt.
Was bleibt, ist eine tolle emotionale Erfahrung und die Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht. Vielleicht hat sich bei einigen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein „weiter so“ nicht erwünscht ist und auch die jetzige Parteiführung bereit ist, den neuen Weg zu beschreite. Bei vielen wird aber die Skeptisch erst sinken, wenn die Diskussionen zielgerichtet weitergeführt, Ergebnisse vereinbart und umgesetzt werden. Schon die nähere Zukunft wird Hinweise darauf geben!







