Bert Frings tritt nicht mehr an

Rückblick + Ausblick
SPD-Stadtverbandsversammlung 20.04.2005
___________________________________________________

Liebe Delegierte, Genossinnen und Genossen!

Ihr werdet Euch nicht wundern, wenn ich gestehe, dass ich bei weitem nicht so bibelfest bin wie Johannes Rau. Wer ist das schon. Ich musste eigens auf den polnischen Satiriker Adolf Noweczynski zurückgreifen, um ein passendes Charakteristikum der ziemlich artverwandten journalistischen und politischen Kaste in der Bibel zu finden. Zitat: „Der einzige Beleg dafür, dass der Heilige Petrus Journalisten und Politiker nicht in den Himmel lässt, steht in der „Offenbarung“, Kapitel 8, Vers 1: Und es war Ruhe im Himmel, fast eine halbe Stunde lang.“
Was so höllisch auf Ausgrenzung einer Spezies hinweist, die Teil meiner Biografie ist, deute ich als himmlisches Kompliment – nämlich niemals Ruhe zu geben, wenn es ums politische und journalistische Engagement im Interesse öffentlicher Belange, also vornehmlich um Menschen und das Gemeinwohl geht. Und das ist gut so.
An diese Maxime, die ein sozialdemokratisches Kernideal ist, habe ich mich gehalten – bisweilen auch mit Zweifeln, ob ich dabei
dem einen Recht, dem anderen Unrecht tat. Wenn es „menschelt“, wie Herbert Wehner einst gewisse Unruhen in den eigenen Reihen treffend charakterisierte, muss halt mal das Kantholz für die klare Kante her.
Als ich vor gut vier Jahren, am 23. März 2001, zum Vorsitzenden des SPD-Stadtverbands gewählt worden war, sagte ich in meiner Antrittsrede, dass ich mich trotz des behaglichen Ruhestands in die politische Pflicht nehmen lasse, weil mir unsere Partei und ihre Ideale wichtig sind und ich deshalb die Herausforderung gerne annehme.
Ich versprach, den Stadtverband in kollegialer, kooperativer und konstruktiver Zusammenarbeit mit allen drei Ortsvereinen auf gleicher Augenhöhe sowie im engen Schulterschluss mit der Ratsfraktion zu führen. Gleichso versprach ich, mir für diese Aufgabe ein Zeitlimit zu setzen, was nun erreicht ist. Ich trete nicht mehr zur Wahl an, bin mir aber sicher, dass auf Grund unserer gut aufgestellten Gremien sowie der Integrität und Kompetenz des designierten, heute abend zu wählenden neuen Vorstands aus dieser Zäsur kein Bruch wird.
Liebe Genoss(Inn)en, wenn ich im Rückblick nun Bilanz ziehe, fällt die gar nicht so schlecht aus. Sowohl personell wie strukturell hat sich die SPD vor Ort neu geordnet und gut aufgestellt. Unter dem
Strich steht eine ganze Menge positiver Ergebnisse. Direkt nach meiner Wahl am 23. März 2001 verpflichtete sich der Stadtverbandsvorstand vor allem auf Initiativen und Aktivitäten zur inneren Stabilisierung und äußeren Darstellung.
Erwähnenswert sind u.a.
+ die Intensivierung der Basisarbeit und Nachwuchsförderung,
+ die engere Zusammenarbeit des Stadtverbandes mit allen drei Ortsvereinen und der Ratsfraktion sowie deren gleichwertige Einbindung in politische Entscheidungsprozesse, die nach anfänglichen Bremsmanövern längst in voller Fahrt auf Kurs ist.
+ die personelle und politische Einbringung unserer Vorstellungen in die UB-Arbeit samt Kreistagsfraktion, wo Velberter Stimmen deutlich an Gewicht gewonnen haben;
+ die Aktivierung der „kommunalen Außenpolitik“ mit benachbarten Ortsvereinen, wobei ich vor allem die inzwischen erfreulich guten Kontakte mit den Ortsvereinen Heiligenhaus, Ratingen und Wülfrath besonders hervorhebe;
+ die Einbindung so tatkräftiger Gliederungen wie die AG 60 +, die ZAfA und den mit unserer Unterstützung inzwischen auf Stadtverbandsebene vereinigten Jusos in die tägliche Parteiarbeit;
+ die Bildungsoffensive des Stadtverbandes mit der Ratsfraktion für Funktions- und Mandatsträger sowie die Einführung der innerparteilichen Transparenz bei Besetzungen von Funktionen und Mandaten.
Als besonders öffentlichkeitswirksam nenne ich, neben Aktionen gegen den Irak-Krieg, weitere Initiativen und Aktivitäten des Stadtverbandes wie die „Tage der offenen Tür“, wozu als erfolgreicher Dauerbrenner die im fliegenden Wechsel arrangierten Kunstausstellungen der Galerie SPD zählen.
Auch das von uns politisch und finanziell unterstützte Bürgerbegehren zur Rettung des Nizza-Bades in Langenberg und das als Antwort auf den islamistischen Terroranschlag auf die USA am 11. September 2001 in Solidarität mit unseren friedfertigen ausländischen Mitbürgern unterschiedlicher Religionen arrangierte Forum „Kontakt der Kulturen – Zusammenleben in unserer Stadt“ hatten ebenso ein fantastisches Echo wie die Initiativen zum „Ehrenamt“ und die gemeinsamen Neujahrsempfänge sowie das von mir initiierte Fairness-Abkommen gegen Verunglimpfungen in Wahlkämpfen mit den Parteien vor Ort, das ungekündigt bis heute gilt.
Auch organisatorisch hat sich durch strukturelle Innovation im Parteiapparat einiges getan. Die personell wie bürotechnisch optimale Ausstattung der Geschäftsstelle „Willy-Brandt-Zentrum“ ist für Dienstleistungen und Kommunikation jeder Art gerüstet, was letztlich dem eifrigen Schaffen von Volker Münchow zu danken ist.
Bestens gerüstet ist die SPD in Velbert auch durch kluge
Personalentscheidungen mit Langzeitwirkung, deren zunächst schwierige Durchsetzung sich heute als echter Gewinn darstellen: Unsere Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, unser Landtagsabgeordneter und Stellv. Bürgermeister Wolfgang Werner, unser Ratsfraktionsvorsitzender Ralf Wilke sind Trümpfe, gegen die von anderer Seite kein Stich zu machen ist – in ihnen wissen wir das Erbe ihrer Vorgänger in besten Händen.
Mit Kerstin Griese hatten wir 2002 einen knochenharten Bundestags-Wahlkampf zu bestreiten, den wir mit einem eindrucksvollen Wahlsieg krönen konnten. Mit fast 10 Prozent Vorsprung ließ Kerstin ihren CDU-Konkurrenten hinter sich. Das Geheimnis des Erfolges war nicht nur ihr professioneller Einsatz, sondern auch die beispielhafte Geschlossenheit und Entschlossenheit unserer SPD in Velbert, gemeinsam für das Ziel zu kämpfen, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern gewinnen zu wollen. Solch lobenswertes Engagement aller wünsche ich uns auch diesmal bis zur Landtagswahl am 22. Mai für Wolfgang Werner und Peer Steinbrück, damit NRW nicht in schwarz-gelbe Hände gerät.
Ein Exempel dafür, was Geschlossenheit und Entschlossenheit in eigenen Reihen erreichen können, sind zwei weitere Ereignisse, die uns ziemlich krass zu schaffen machten: Einmal die erfolgreiche Abwehr der von der konservativen Ratsmehrheit inszenierten Abwahl-Posse gegen unseren Genossen Friedhelm Possemeyer, die dank der Solidarität aller SPD-Ratsmitglieder mit einer fulminanten Blamage der CDU-genasführten Antragsteller abgeschmettert wurde.
Zum anderen der Versuch Düsseldorfer Planungsstrategen, bei der Neuordnung der Landtagswahlkreise den unseres Abgeordneten Wolfgang Werner zu Gunsten Wuppertals zu zerfleddern. Gerade hierbei erwies sich die kollektive Einigkeit und Gegenwehr der Ortsvereine, des Stadtverbands und des Unterbezirks als Scharnier des Zusammenhalts und mithin des Erfolgs.
Gleichwohl ebenbürtig gehört zum Kapitel solidarische Geschlossenheit der SPD in Velbert die Nominierung des parteilosen Stefan Freitag für das Bürgermeisteramt – immerhin ein Novum für die SPD. Die kompetente Amtsführung und sachliche Kooperationsbereitschaft bestätigen nicht nur das hervorragende Wahlergebnis Stefan Freitags, sondern auch, dass die von uns unterstützte „Allianz der Vernunft“ die richtige Entscheidung war. Die neue Ordnung im Rathaus wird, da bin ich sicher, für unsere Stadt und ihre Menschen Früchte tragen.
Neu ordnen, liebe Genoss(Inn)en, müssen wir Sozialdemokraten vor Ort auch uns selbst. Um für die nahe und nähere Zukunft gerüstet zu sein, weist das von den Jusos inspirierte, im Stadtverbandsvorstand erarbeitete und von der Delegiertenkonferenz bereits beschlossene Strategiepapier „Durch Reform in Form“ neue Wege, die zu Zielen des Aufbrechens verkrusteter Strukturen zu Gunsten der innovativer Modernisierung führen, um unsere Partei nach innen effizienter und nach außen attraktiver zu machen.
Hierzu gehört bei realistischer Betrachtungsweise schon der personellen und materiellen Synergieeffekte wegen die sachliche Diskussion über einen mittelfristigen Zusammenschluss der drei Ortsvereine Velbert, Langenberg und Neviges an Stelle des Stadtverbands zu einem SPD-Ortsverein Velbert, der freilich die Präsenz bürgernaher SPD-Stadtbezirke in den Stadtteilen nachhaltig sicherstellen sollte.
Das setzt voraus, dass wir Velberter Sozialdemokraten schon jetzt und künftig noch mehr zusammenrücken, persönliche Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten dem Parteiinteresse unterordnen. Nur solidarische Geschlossenheit und willensstarke Gestaltungskraft macht eine Partei kampagnefähig und mithin für den Wähler attraktiv. Wir haben keinen Grund zu Resignation, solange wir eigene Fähigkeiten und gemeinsame Ziele nicht kaputt reden lassen, sondern sie mit Glaubwürdigkeit, Engagement und Elan vertreten.
Motivierung und Mobilisierung, auch und gerade der eigenen teils frustrierten Mitglieder, ist die beste Medizin, die so genannte Politikverdrossenheit zu kurieren und sie nicht ins gefährliche Koma des Parteiverdrusses mit Schaden für die Demokratie fallen zu lassen. Eine „Offensive für Glaubwürdigkeit“ ist dringend vonnöten, um den Menschen in Stadt und Land wieder Vertrauen in Politik und Politiker zu vermitteln.
Liebe Freundinnen und Freunde: Abmustern heißt längst nicht abtreten, um in der Versenkung zu verschwinden. Ich gehe zwar, bin aber nicht weg. Zum Abschied von meinem Ehrenamt, wobei ich das Teilwort „Ehre“ als solche auch echt empfinde, möchte ich den Funktionären und Mandatsträgern in allen Gremien unserer Partei für die vertrauensvolle Unterstützung und kritische Begleitung aufrichtig danken. In diesen Dank schließe ich auch meine liebe Frau Helga ein, die manche Stunden, Tage und Abende auf mich verzichten musste, was ihr aber nicht geschadet hat.
Dem neuen Stadtverbandsvorstand wünsche ich politisches Augenmaß und diplomatisches Geschick, die Kraft nach innen kollegial zu führen und nach außen kommunikativ zu wirken sowie das Vertrauen, das Ihr mir in all den Jahren gegeben habt. Euch allen persönlich und der SPD in Velbert wünsche ich ein herzliches Glückauf und eine gute Zukunft.
Das war’s. Und zum Abschied sage ich wie Willy Brandt: Freunde, ich habe mich bemüht!