Haushaltsrede von Wolfgang Werner MdL

SPD – Fraktion im Rat der Stadt Velbert
Wolfgang Werner, MdL (Vorsitzender)

Velbert, den 03. Juni 2003

Rede zum Haushaltsentwurf 2003 der Stadt Velbert zur Ratssitzung am 03.Juni 2003

Es gilt das gesprochene Wort

„Uns geht’s ja noch gold“ heißt ein Roman von Walter Kempowski, in dem er das Überleben einer Familie im Nachkriegsdeutschland beschreibt. Mancher wird sich an die Fernsehinszenierung erinnern, in der dieser Satz auch im Mittelpunkt stand. Ähnliches könnte man auf den ersten Blick auch von Velbert sagen, wenn man die Situation unserer Stadt mit anderen Kommunen vergleicht.

Die Steuereinnahmen, vor allem die Gewerbesteuer, sind nicht so zusammengebrochen, wie in vergleichbaren Städten. Die Arbeitslosenquote ist verglichen mit dem angrenzenden Ruhrgebiet niedrig, auch die Anzahl der auf Sozialhilfe angewiesenen Personen liegt landesweit im Mittelfeld.

Kann man also alles in allem von einer guten Ausgangsposition sprechen?
Jeder, der sich auch nur oberflächlich mit der tatsächlichen Lage der Stadt beschäftigt weiß aber, es geht uns alles andere als gold.

Schon der Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltes deutet darauf hin. Im Juni 2003 den Etat für das Jahr 2003 zu beschließen, ist an und für sich ein Unding. Schließlich ist es ja kaum noch möglich, vom Rat aus Prioritäten zu setzen und Projekte anzuschieben, wenn das Jahr schon fast in seine zweite Hälfte geht. Der Rat gibt mit dieser Beratungsweise sein Haushaltsrecht auf. Doch, seien wir doch einmal ehrlich, wie viel Veränderungsmöglichkeit verbleibt einem Stadtrat denn noch, wenn aus einer ehemals freien Spitze ein unfreies Loch geworden ist. Die Fakten sind: Immer noch ist der Haushalt defizitär, d.h. immer noch kann der Verwaltungshaushalt seine Ausgaben nicht selbst über Einnahmen aus Steuer, Gebühren, Zuschüssen und sonstigem erbringen. Von einem Zuschuss an den Vermögenshaushalt, aus dem dann die Investitionen zu tätigen wären, ganz zu schweigen. Im Gegenteil, der Vermögenshaushalt steuert wiederum einen nicht unerheblichen Betrag zur Deckung der Ausgaben im Verwaltungshaushalt bei. Diesmal ist es ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf von 20% der Stadtwerke an RWE, der mit 20 Millionen Euro in diesem Haushaltsjahr für einen Ausgleich sorgt, ja darüber hinaus es sogar noch ermöglicht, einen Betrag für das Haushaltsjahr 2004 anzusparen. Auch in den Vorjahren wurde durch den Verkauf von Tafelsilber der Konsum gedeckt. Die SPD hat dies jeweils kritisiert, ob es um den Verkauf des Berufsschulgeländes, der städtischen Wohnungen oder den Unterpreisverkauf städtischen Baulandes ging. Andererseits, dass muss man allerdings zugestehen, eine wirkliche Alternative haben wir auch nicht aufgezeigt, insofern ist es auch verständlich, wenn wir, bei aller Kritik, in den meisten Fällen dann die entsprechenden Verkäufe mitbeschlossen haben, wie eben auch beim Verkauf der Stadtwerkeanteile.

Wie konnte eine Stadt wie Velbert in eine solche Situation kommen, in der das, was Generationen vor uns zum Wohle der Menschen in dieser Stadt angeschafft haben, versilbert werden muss, um kurzfristig über die Runden zu kommen?

Viele Faktoren kommen zusammen. Der wichtigste ist sicher die konjunkturelle Lage. Seit den 80iger Jahren geht die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bergab, mit einem kleinen Zwischenhoch kurz nach der deutschen Einheit, was aber fast ausschließlich auf Pump beruhte und uns eine eklatante Staatsverschuldung hinterließ. Das Ruhrgebiet ist von dieser langfristigen Konjunktur besonders betroffen, kommen doch hier noch strukturelle Probleme hinzu. Wir in Velbert haben dies auch zu spüren bekommen. Auch wenn die Arbeitslosigkeit sich nicht in den Zahlen unseres Arbeitsamtes niederschlägt. Wir wissen, dass unsere Arbeitslosen in Gelsenkirchen und anderswo sitzen. Aus der Einpendlerstadt Velbert ist eine Auspendlerstadt geworden. Reihenweise sind alteingesessene Firmen weggebrochen. Laakmann, GTV, Bonum, Nökels, Conze Colsman um nur einige und nur aus dem Ortsteil Langenberg zu nennen, von Beer, Woeste, Weidtmann und vielen, vielen anderen aus Velbert – Mitte, aus Neviges und Tönisheide ganz zu schweigen. Durch intensive Bemühungen konnte schon mal die ein oder andere Firma gehalten werden. Für wie lange weiß man nicht. Genau so wenig, wie man sich sicher sein kann, dass im nächsten Jahr mancher Traditionsbetrieb noch besteht. Wir werden als SPD nicht aufhören, immer wieder auf die Notwendigkeit einer besseren Wirtschaftsförderung hinzuweisen. Es ist unserer Auffassung nach richtig, über die Stadtgrenzen hinweg zu denken und gemeinsam mit den Nachbarn die Wirtschaftsförderung, d.h. vor allem auch die Ansiedlung neuer Betriebe auf eine breitere Grundlage zu stellen.

Die zweite Problematik, vor der nicht nur Velbert steht, ist der mit der Arbeitslosigkeit einhergehende Anstieg der Menschen, die der Sozialhilfe bedürfen. In diesem Zusammenhang sind sicher auch die wachsenden, ja fast explodierenden Ausgaben für die Jugendhilfe zu sehen. Denn wenn das Geld knapp wird und die Psyche durch den Stress der Arbeitslosigkeit einen Knacks bekommt, dann geht auch so manche ehemals gut funktionierende Familie kaputt. Auch hier gilt, je mehr Arbeit es für die Menschen gibt, umso weniger muss die Stadt als Feuerwehr in Problemlagen einspringen.

Als drittes, und dass ist nicht zu unterschätzen, sind die mit der Wiedererlangung der deutschen Einheit auf die Kommunen abgewälzten Lasten zu nennen. Immerhin ca. 50 Millionen Euro hat Velbert bisher in den Topf Deutsche Einheit eingezahlt. Geld, dass selbstverständlich in Velbert fehlt. Wer sieht, wie manche Stadt in Mitteldeutschland aufgeblüht ist und welche kommunalen Leistungen man dort bieten kann, dem fällt es nicht leicht, die auf Dauer angelegten Transferleistungen zu verstehen. Trotz der sicher noch immer höheren Arbeitslosenquote und des sich noch nicht selbst tragenden wirtschaftliche Aufbaus in den neuen Ländern.

Zum vierten müssen wir uns auch an den eigenen Taten messen lassen. Haben wir uns nicht auch den Gürtel zu weit gemacht? Auch wenn wir als SPD uns in dieser Frage zurücklehnen könnten mit dem Hinweis, dass wir nur fünf Jahre lang den Bürgermeister und zusammen mit den Grünen die Ratsmehrheit gestellt haben, während in den übrigen 23 Jahren die CDU den Bürgermeister stellte. Nur, in einer Stadt sind die Zuständigkeiten nicht ganz so scharf getrennt, wie vielleicht in Bund und Land. Auch wir haben das Forum mit beschlossen, dass uns jetzt große Probleme bereitet, wir sind ebenso davon überzeugt, dass wir unser Angebot im kulturellen Bereich nicht schmälern dürfen, von den Schwimmbädern, der Musikschule, der Volkhochschule, den Stadtbüchereinen usw. usw. ganz zu schweigen.

Als letztes sei auch nicht verschwiegen, dass auch Bund und Land es im ein oder anderen Fall mit dem Konnexitätsprinzip, also der einfachen Formel: Wer bestellt, bezahlt, nicht immer ganz genau genommen haben. Ob es die Verpflichtung war, für alle Kinder einen Kindergartenplatz zu erstellen, was Land und Kommunen gleichermaßen getroffen hat, oder aber auch die ein oder andere Maßnahme in der Betreuung der Kinder außerhalb der Schule, wie SIT, 13plus, Schule von acht bis eins usw., die Kommune wurde verpflichtet, nach ihren finanziellen Möglichkeiten nicht gefragt. Und auch der „goldene Zügel“, wie z.B. die mehr als 70% Zuschuss bei manchen Baumaßnahmen, kann sich im Nachhinein auch als Strang erweisen, der sich der annehmenden Kommune langsam um dem Hals zusammen zieht. Denn alle Gebäude, die mit Zuschüssen gebaut werden, müssen dann ohne Zuschüsse unterhalten werden. Insoweit ist die Umstellung der Landesförderung im Schulbereich von einer Objektförderung auf die Schulpauschale der richtige Weg.

Der Kämmerer hat seinem Haushaltsentwurf ein sog. Dreisäulenmodell zugrunde gelegt, mittels dessen es gelingen soll, den Haushalt 2003 auszugleichen und positive Signale für die nachfolgenden Haushalte zu geben.

Die zweite Säule entspricht einer Forderung, die die SPD seit langer Zeit aufstellt: Die Gewerbesteuer musste auf ein Niveau angehoben werden, dass dem Durchschnitt vergleichbarer Städte in NRW entspricht. Beim letzten Beschluss über die Steuersätze wurde dieses Ziel für die Grundsteuer mit Ratsmehrheit gegen die SPD erreicht. Wir hatten darauf aufmerksam gemacht, dass es sozial ungerecht sei, die von Mietern und Eigenheimbesitzern zu zahlende Grundsteuer B anzuheben und die Gewerbesteuer, die ein Betrieb ja nur zu zahlen hat, wenn er Gewinn macht, auf dem niedrigen Niveau zu belassen. Hätte man damals schon die jetzigen 440% für die Gewerbesteuer beschlossen, so wären ca. 3 Millionen Euro in 2002 als Mehreinnahmen zu verzeichnen gewesen. Hierauf wurde, wie wir finden, leichtfertig verzichtet.
Der Steuerbeschluss für 2003 über 420% für die Grundsteuer B und 440% für die Gewerbesteuer ist der SPD trotz der ausgewogenen Anhebung beider Steuerarten und der Einhaltung des notwendigen Abstandes nicht leicht gefallen. Wissen wir doch, dass ein Häuslebesitzer und ein Mieter die Grundsteuer zahlen muss, ohne Rücksicht darauf, ob er „einen Gewinn“ macht. Und wir wissen, dass die Nebenkosten inzwischen zu einer zweiten Miete angewachsen sind. Dies soll nicht die Schwierigkeiten herunter spielen, vor der auch so mancher Betrieb steht, wenn er seine Investitionsentscheidungen wegen der erhöhten Steuer noch einmal überdenken muss. Ohne Zweifel hat auch die IHK Recht, wenn sie eine höhere Steuer als Hindernis ansieht bei der Anwerbung von Betrieben. Nur, wenn die Stadt nicht mehr lebenswert ist, weil sie alles, was dazu gehört, dass man gerne in einer Stadt lebt, abbauen muss, dann kommen auch keine Betriebe mehr, denn neben den harten Standortfaktoren dürfen die weichen, wie Kultur- und Schulangebot und ein ansehnliches Stadtbild nicht vergessen werden. Deshalb haben wir dieser wichtigen Grundlage des Haushalts zugestimmt, denn die schwierige Situation ließ keine andere Entscheidung zu.

Die dritte Säule, den Teil-Verkauf der Stadtwerke, hätten wir abgelehnt, wenn es ausschließlich um den Hauhalt gegangen wäre. Tafelsilber verkaufen, um kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen, ist grundfalsch. Es ging aber tatsächlich darum, unser Stadtwerk in einem sich verändernden Markt zu stärken. Deshalb der Zusammenschluss mit den WSW und die Kooperation mit RWE. 45% der Stadtwerke sind so in „fremden“ Händen. Wir sagen, jetzt muss Schluss sein. Die Stadtwerke Velbert müssen das bleiben, was der Name sagt, Velberter. Auch beim Klinikum lassen wir uns von deisem Grundgedanken leiten.
Bei der neuen Sparkasse ist dies nicht der Fall. Hier haben wir tatsächlich die Mehrheit an andere weggegeben. Trotzdem haben wir als SPD auch das mitgetragen, weil wir hier ebenfalls die Notwendigkeit erkannten, das Unternehmen in einem sich ändernden Markt zu stärken. Auch wenn uns bewusst ist, dass der Zusammenschluss zuerst viel Geld kostet und auf den diesjährigen Haushalt noch keinen Einfluss hat, so vertrauen wir auf die Aussagen unserer Sparkassendirektoren, die mit dieser Maßnahme auch langfristig die Gewinnabführungen der Sparkasse an die Stadt gesichert sehen.

Die erste Säule geht teilweise ebenfalls auf Anregungen zurück, die die SPD – Fraktion gegeben hat. Die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen und dem Kreis, ermöglicht durch eine veränderte Landesgesetzgebung, verspricht auf Dauer angelegte Einsparungen, ohne auf Leistungen verzichten zu müssen. Der Knackpunkt liegt in den weiteren Einsparmaßnahmen, die direkt Leistungen in der Stadt betreffen. Auch hier hat die IHK Recht, wenn sie bemängelt, dass die Einsparungen zu gering seien, „um eine entscheidende Trendumkehr des strukturell unausgeglichenen Haushaltes zu bewirken“. Richtig, kann man da nur zustimmen und hofft, dass im nächsten Satz gesagt wird, was denn stattdessen oder darüber hinaus gemacht werden soll. Aber – Fehlanzeige. Von dieser Seite ist also keine Hilfe zu erwarten. Hat es während der Haushaltsplanberatungen weitere Anträge gegeben, die helfen könnten, dass Defizit abzubauen? Nein, jetzt, am 28.05.2003, also keine Woche vor der Ratssitzung zum Haushalt, legt Velbert anders ein Papier vor, in dem mal eben durch Buchhaltertricks, sieht man von der Schließung der Bedürfnisanstalten ab, hunderttausende Euros hin und hergeschoben werden sollen. Dieses Vorgehen ist unseriös und entspricht dem üblichen Populismus, durch den sich manche Aktion dieser Gruppierung auszeichnet.
Die Beratungen in den Fachausschüssen waren demgegenüber durch große Sachlichkeit und von dem gemeinsamen Willen geprägt, in einer finanziell schwierigen Zeit so viele der notwendigen Leistungen für die Bürger zu erhalten, wie eben möglich. Besonders möchte ich dabei den Kulturbereich hervorheben, wo man trotz teilweise unterschiedlichen Auffassungen letztlich zu einem Ergebnis gekommen ist, dass dann von allen getragen werden konnte.
Ich hatte ganz persönlich auch das Gefühl, dass die alte Leier, wir sind so arm, weil Bund und Land uns ausquetschen, trotz der hier immer noch im Rathaussaal hängenden Plakate, nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit angestimmt wurde. Es scheint sich also herumgesprochen zu haben, dass weder der Bund, noch viel weniger das Land ein Interesse an darbenden Städten haben. Nur, um beim Land zu bleiben, auch hier brechen die Steuereinnahmen weg, auch hier steigen die notwendigen Ausgaben an und es gibt nicht einmal Stadtwerke, die man verkaufen könnte. Auch aus diesem Dilemma führen nur zwei Wege heraus: Entweder weniger ausgeben oder mehr Steuern und Abgaben einnehmen. Der Weg in die weitere Verschuldung ist dem Land genauso versperrt, wie den Gemeinden. Ich glaube, wir alle hoffen, dass bald in Berlin eine Entscheidung zugunsten der Gemeinden fällt. Selbst eine nicht optimale Lösung ist sicherlich besser als der jetzige Zustand. Ein erster Erfolg ist der Erlass der Flutopferhilfe, der auch für Velbert ein paar hunderttausend Euro ausmachen müsste. Die angekündigte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, bei Übernahme der Kosten für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger durch den Bund würde eine weitere spürbare Entlastung bringen. Ich bin im übrigen nicht dafür, die Gewerbesteuer zu ersetzen durch ein eigenes Heberecht der Gemeinden für die Einkommenssteuer oder für die Umsatzsteuer. Wir würde damit in eine Konkurrenz zwischen den Kommunen kommen, die meiner Meinung nach weit über den jetzigen Wettbewerb über die Gewerbesteuer hinausgehen wird. Die Gewerbesteuer auf eine breitere und weniger gewinn- und damit konjunkturabhängige Grundlage zu stellen, halte ich für den besseren Weg. Allerdings wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gehen, ohne die Verteilungsschlüssel der Einkommenssteuer zu verändern, da für Freiberufler und andere, die dann Gewerbesteuer zahlen müssten, dies so gut wie kostenneutral wäre, da sie die Gewerbesteuerzahllast auf die Einkommenssteuer anrechnen könnten, diese aber zu jeweils 42,5% Bund und Land zusteht. Eine Milliarde so neu entstandener Gewerbesteuer brächte den Ländern damit 425 Millionen Mindereinnahmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch christdemokratisch regierte Länder sich dies nicht leisten könnten.
Wie immer die Diskussion verläuft, es muss schnell was geschehen. Damit ich es noch einmal erlebe, dass wir uns im Velberter Stadtrat darüber streiten dürfen, wofür wir die dann wirklich „freie“ Spitze ausgeben wollen und nicht nur, wo wir besser nicht sparen.
Denn, auch wenn wir beim Blick um uns herum sagen können: Uns geht´s ja noch gold“, es gibt keinen Grund zu frohlocken.
Auch wenn nicht alles unseren Vorstellungen entspricht: Die SPD – Fraktion stimmt dem vorliegenden Haushaltsentwurf zu. Wir bedanken und bei allen, die in der Verwaltung zum Haushalt und zu den Budgets beigetragen haben und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.